Im
Dicherhimmel
Im Dichterhimmel herrscht, wie in guten Häusern
üblich, die Sitte, die schmutzigen Schuhe vor der
Zimmertür zurückzulassen, in der Hoffnung, irgendein
Bediensteter möge sie des Nachts putzen. Doch auch hier ist
der Service nicht mehr das, was er mal war. Anderntags stehen die
Schuhe genauso schmutzig auf der Matte, wie man sie verlassen hatte.
Weil niemand gern Dreck an den Schuhen hat, seien es eigene oder
geliehene, beginnt das Hin- und Hergeschiebe. Meine Schuhe, Deine
Schuhe, fremde Schuhe, keine Schuhe... So mancher stolpert herum in
viel zu großen Schlappen. Ein anderer schmückt sich
mit fremden Schuhen und schiebt dem Nachbarn den Dreck in die Stiefel.
Ganz zu schweigen von dem Dichter, der sich jeden Schuh anzieht,
passend oder nicht, über Hühneraugen klagt, aber nie
merkt, wo der Schuh drückt. Seitdem spaziere ich nur noch
barfuß herum...
Mein
Lieblingsstück
Ich weiß nicht, wie es euch geht – ich
habe ein Lieblingsstück, und das trage ich seit über
20 Jahren – mein schwarzer knöchellanger
Ledertrenchcoat. Der hat vor 22 Jahren 400 Mark gekostet, und ich habe
ihn mir geleistet als mein Sparvertrag zugeteilt wurde.
Diesen Trench trage ich bis heute am liebsten. Alle andern
Mäntel oder Jacken sind nur Notlösungen, die zum
Tragen kommen, weil es für den Ledermantel im Winter zu kalt
und im Sommer zu warm ist. So richtig wohl fühl ich mich erst,
wenn ich meinen Trench aus dem Schrank hole. Inzwischen wurden neue
Taschen eingesetzt. Vor 10 Jahren ließ ich von einer
Schneiderin ein neus Ärmelfutter einnähen. Und vor 2
Jahren habe ich das alte Body-Futter heraus getrennt, weil es
auseinander fiel. Die kümmerlichen Reste verwandte ich als
Schnittmuster für ein attraktives Futter in gestreiftem
Jeansstoff. Meine alte Bernina hat vielleicht gekeucht. Seitdem sieht
der Trenchcoat von innen neu und edel aus.
Die Gebrauchsspuren außen ließen sich allerdings
nicht beseitigen. Die Ecken am Koller wurden mit Leder hinterlegt und
geklebt. Die Knopflöcher mehrfach verkleinert. Es
ist eben ein alter Trenchcoat, der von Jahr zu Jahr schwerer
zu werden scheint. Eines Tages werde ich unter seinem Gewicht
zusammenbrechen. Aber ich liebe ihn!
© Karin Rohner 2011